gangs of new york


Wenn auch Filme neueren Datums der jüngeren Generation, die ja nicht viel mehr kennt, überlassen seien, kommen wir hier nicht im Scorseses immer neu faszinierendes Meisterwerk von 2002 herum. Handelt es sich doch um ein fast lebenslang gehegtes Anliegen des Regisseurs, die Wurzeln des von ihm so oft thematisierten amerikanischen GANGstertums im 19. Jahrhundert aufzuzeigen.
Die Kritik behandelte den Film stiefmütterlich, und sicher gäbe es über die kassenträchtige Auswahl des vielumschwärmten Hauptakteurs und die sehr großzügige Interpretation der geschichtlichen Fakten und von dem Autor Herbert Asbury schon in den 20er Jahren präsentierten Polizei- und Zeitungsberichte viel zu maulen. 
Geschenkt.

Daniel Day Lewis legt eine Interpretation des William "the butcher" Cutting auf die Bretter, die einen staunen lässt, und die aufwendig erarbeitete Atmosphäre der an der Südspitze Manhattans gelegenen "Five Points" kann nur gelobt werden.
Noch vor Entstehen der Bronx und von Harlem als Elendsviertel hatte sich hier fast in Sichtweite der ankernden Einwandererschiffe innerhalb weniger Generationen aus einem idyllischen Wald- und Seegebiet eine Art Vorhölle aus Seuchen, Verbrechen und maßloser Überbevölkerung gebildet. Schon Charles Dickens besichtigte 1842 mit einer umfangreichen Polizeieskorte das Viertel und schrieb darüber.
Die gerade der Hungersnot durch die Kartoffelfäule entronnenen, wöchentlich zu Tausenden eintreffenden irischen Armutseinwanderer wurden umgehend zu Hassobjekten, Opfern und Verschiebemasse der ansässigen Machtgruppen.
Man stelle sich das vielsagende geistige Konstrukt vor, dass die "schon" seit einer Generationen im Lande weilenden "Native Americans" den neuen Einwanderern in unversöhnlichem Hass begegneten. Und natürlich bot auch die Religion den "anglo-saxon protestants" gegenüber den katholischen Iren genug Motivation für Feindseligkeiten. 

Ohne auf die altbekannten Rache-, Vater-Sohn- und Liebesmotive in Scorseses Opus eingehen zu müssen bleibt dem neugierigen Betrachter eine Menge zeittypischer Geschichten zu entdecken, allem voran die gerade bei Kriegsreisende thematisierten ausbrechenden "draft riots" von 1863, die in Gräueltaten gegen die "am Bürgerkrieg schuldigen" Farbigen und so schwere Ausschreitungen mündeten, dass schliesslich die im Hafen liegende Kriegsmarine ihre Geschütze in die Straßen feuern liess.

Interessant auch die Arrangements der offiziellen Politik mit den Gangs und deren zunehmende Einbindung in die Entscheidungsprozesse (sprich manipulierte Wahlen) und den Verwaltungsapparat; der Ausgangspunkt dafür, dass die Iren schon seit vielen Generationen einen Großteil der Polizeikräfte stellen und der Beginn von gesellschftlichen Veränderungen, die barbarische Kriegherren wie Bill The Butcher durch moderne Gangster ersetzen.
Zum Ende sei noch das gebotene Augenfutter an Menschengewimmel und riesigen und mehrstöckig unterkellerten Holzhäusern erwähnt, die schon die entgrenzte Vertikalität des heutigen Manhattan ankündigen.
Selbst bei Bills Mordwerkzeugen hat man Liebe walten lassen: sie sind aus ausrangierten Feilen zurechtgeschliffen.

Wie auch in "Gladiator" und der sehr seltsamen "League of...." hat man David Hemmings eine kleine Rolle gegeben, der Anfang der 60er Jahre mit Antonionis "Blow up" als smarter Modefotograf berühmt wurde. Nach Jahrzehnten als Regisseur von TV-Serien wie "A-Team" trat er so wieder ins Licht der Medienöffentlichkeit, kurz bevor er 2003 an einem Herzinfarkt starb.
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Der Verfasser sieht sich im Geiste als Mitglied der modisch innovativen Gang der "shirt tails".

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