neues aus der welt des übersinnlichen


Selige Schulzeit, als uns Samstag nachts in Erwartung des Spätfilms im Ersten im unvermeidlichen "Wort zum Sonntag" Pfarrerin Odda-Gebbine Holze Stäblein die konfessionellen Flötentöne beibrachte, irgendwann gefolgt von der gnadenlos barmenden aber von Sendung zu Sendung irgendwie stylischer werdenden Schwäbin Bärbel Deiffel(!)-Vogelmann. Diese TV-Theologen wurden damals von einem zwölfköpfigen ökumenisch paritätisch besetzten Gremium auf Herz und Nieren geprüft und sorgfältig seelsorgerisch überwacht.

Jetztzeit, Sonntagmorgen, der Daumen tappert auf der Fernbedienung und schon steigt der Blutdruck.
"Dr Schuller" im Phantasietalar wie ein Oberpriester aus einem Conan-Film begrüßt in seiner "cristal cathedral" illustre Gäste zu musikalischem Bombast-Schmodder und tremolierenden Chören, das von weit hertransportierte Landvolk weiß nie so recht, wann sie sitzen oder stehen sollen.
Joyce Meyer dragonert vor Massen weiblichen Publikums über die Ungläubigen und deren feigen Charakter. Einen gewissen barbarischen Humor kann man ihr dabei nicht absprechen.
Agilprediger Müller betreibt auf der Bühne seines Karlsruher Missionswerks eine Art Work-Out einschliesslich Kniebeugen, um der Freude über seine Verbundenheit mit dem Allmächtigen und die strömenden Spenden Ausdruck zu geben.
Nicht zuletzt seibert der bekannte Hamburger Fernsehpfarrer unnachahmlich "Die Biiiebel ist Mediziiiien für die Seele!".

Neinein, Glotze aus, ab ins Netz.
Im REIKI-Forum wird erörtert "wirkt Reiki wie Viagra?". Handauflegende Energiekanalisierer berichten von Mörder-"Errektionen" ("er" hat eine "Rektion", also eigentlich richtig geschrieben); und bei Betrachtung der Fotos der letzten Zusammenkünfte ist das tatsächlich verwunderlich. Die Männer sind eben einfach "energiefühlig".

Der Drang zum Übersinnlichen ist einfach nicht kleinzukriegen; zu groß scheint unser Wunsch, nicht Beeinflussbares unter Kontrolle zu bringen, seit Uropa den Mond ansang und der Schamane den Braten mit Figürchen und Höhlenzeichnungen auf den Spieß zu bannen versuchte.

schamanen, religion
Sicher gabs schon damals Cousine Lula, die sich über das Gerassel und Gestampfe lustig machte, um dafür heftige Sippenprügel zu beziehen und vom nächsten Gürteltier nix abzukriegen. Da hörten die Witze schnell auf.
So geht es dem sensiblen Agnostiker noch heute, werden seine Bedenken zu laut, firmiert er als Spielverderber und Kinderschreck, der einem die bunten Blumen im Vorgarten zertrampelt. So muss er es mit Peter Handke halten, "sich selbst zu entwurzeln ist die größte Errungenschaft; andere zu entwurzeln das größte Verbrechen."

Zur Zeit läuft Bill Mahers Doku-Komödie "Religulous" in einigen Kinos; man schaut ihn an und verliert alle Hoffnung auf Besserung.

Nicht unsere Ziele sind rational, nur der Weg, sie zu erreichen.

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